¡Ya basta! – Arbeitskampf bei Eurosol

26. März 2018|Berichte, Medienmaterial

Arbeitsrechtsverletzungen, Proteste und Entlassungen beim Gemüseproduzenten EUROSOL in Almería

Die Arbeiter*innen Eurosols mit ihren Forderungen auf den Schildern

Seit September 2017 beklagt eine Gruppe von etwa 50 migrantischen Arbeiterinnen und Arbeitern der Firma EUROSOL im andalusischen Almería eine Reihe von Arbeitsrechtsverletzungen in ihrem Betrieb: unbezahlte Überstunden, verweigerte Lohnerhöhungen, unzureichende Sanitäranlagen, mangelnde Arbeitsschutzmaßnahmen und systematische Diskriminierung von gewerkschaftlich organisierten Arbeiterinnen und Arbeitern. Nachdem die Betriebsleitung nicht auf die Beschwerden und Vorschläge der Belegschaft einging, wandte sich diese an die Gewerkschaft SOC-SAT. Mit Hilfe der Gewerkschaft initiierte die Gruppe ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren vor dem Arbeitsschiedsgericht. EUROSOL ging nach der dritten und letzten Schlichtungsrunde vom 1. März 2018 bis auf einzelne Ausnahmen nicht auf die Forderungen der Beschäftigten ein. Der Konflikt gipfelte vorläufig in einem Streik am 2. März 2018. Die betroffenen Arbeiterinnen und Arbeiter fühlen sich seit Beginn des Konfliktes immer stärker von der Unternehmensleitung und Vorarbeitern erniedrigt und schikaniert. Für die Kolleginnen und Kollegen ist klar, dass systematisch gegen sie vorgegangen wird, um ihre gewerkschaftliche Organisierung zu unterdrücken. Bis zum heutigen Tag sind sieben Arbeiterinnen und Arbeiter, die ihre Rechte eingefordert haben, unter fadenscheinigen Begründungen entlassen worden.

 

Seit 2001 dokumentiert und begleitet die SOC-SAT gravierende und systematische Arbeitsrechtsverletzungen in der industriellen Landwirtschaft Almerías. Die zuständigen spanischen Behörden sind nicht in der Lage, Verstöße gegen die geltenden tarifrechtlichen Bestimmungen effizient zu kontrollieren und zu sanktionieren. EUROSOL ist also kein Einzelfall, wohl aber ein exemplarischer und besonders schwerwiegender. Dieser Bericht basiert auf den uns vorliegenden offiziellen Dokumenten des Arbeitsschiedsgerichts, der Korrespondenz zwischen Belegschaft und Gewerkschaft sowie zwischen Unternehmen und Betriebsgruppe. Anhand dieser Informationen sollen die europäische Zivilgesellschaft, supranationale Behörden, Zertifizierungsdienstleister, transnationale Großabnehmer sowie Verbraucherinnen und Verbraucher auf die Missstände bei EUROSOL aufmerksam gemacht werden.

Aktuell: Entlassung von Gewerkschaftsdelegierten

“Eurosol: stellt die unrechtmäßig Gekündigten wieder ein!”

Am 16. März, zwei Wochen nach dem Streik der gewerkschaftlich organisierten Arbeiterinnen und Arbeiter, kündigte das Unternehmen zwei Arbeitern fristlos, vier weitere Beschäftigte wurden suspendiert. Die Betriebsleitung beruft sich bei den Entlassungen und Suspendierungen auf mutmaßliche Vorfälle am Streiktag. Es wurden ausgerechnet diejenigen Arbeiterinnen und Arbeiter gefeuert, die die Organisierung der Belegschaft in der SOC-SAT initiiert hatten. Auch die Ehefrau eines der Entlassenen wurde suspendiert, das bedeutet für die Eltern von zwei Kindern eine schwerwiegende finanzielle Notlage. Gegen die unrechtmäßigen E­ntlassungen will die Gewerkschaftsgruppe gerichtlich vorgehe­n, denn es ist davon auszugehen, dass EUROSOL durch die Entlassungen gezielt versucht, die gewerkschaftlichen Aktivitäten zu unterbinden und die Belegschaft einzuschüchtern. Die Unternehmensleitung verfolgt offensichtlich die Strategie, sich der aufbegehrenden Festangestellten zu entledigen und sie durch temporär Beschäftigte zu ersetzen. Die aktiven Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zunehmend Ziel von sexistischen und rassistischen Beleidigungen, werden am Arbeitsplatz isoliert und müssen besonders schwere, teilweise gesundheitsgefährdende Aufgaben verrichten. Schon vor dem Streik hatten sich die Arbeiterinnen und Arbeiter über Schikanierungen der Vorarbeiter beklagt, die die Arbeitssituation, zusätzlich mit den Arbeitsrechtsverletzungen, für die Beschäftigten unerträglich macht.

 Gewerkschaftliche Organisierung und Schlichtungsverfahren

Arbeiterinnen und Arbeiter von EUROSOL werfen der Unternehmensleitung seit einigen Jahren schwerwiegende Verstöße gegen eine Reihe von Arbeitsrechtsbestimmungen vor, die u.a. im regionalen Tarifvertrag für den Obst- und Gemüseanbau festgelegt sind: Das Unternehmen lässt unbezahlte Überstunden und an Feiertagen arbeiten, Pflanzenschutzmittel ohne oder mit mangelhafter Schutzkleidung versprühen, behält Gehaltszuschläge für dienstältere Kolleginnen und Kollegen ein und weigert sich, den Arbeitsweg zur Betriebsstätte zu vergüten.

Viele Leute auf internationaler Ebene sollen sich mit dem Arbeitskampf solidarisieren

Entschädigungen für spontan abgesagte Arbeitseinsätze werden nicht bezahlt, Pausenzeiten nicht eingehalten. Die weit entfernten Toiletten durften nicht während der ersten und der letzten Arbeitsstunden und müssen mit dem Fahrrad aufgesucht werden. Statt Reinigungspersonal anzustellen, wurden ausschließlich weibliche Arbeiterinnen dazu genötigt, die sanitären Einrichtungen zu reinigen. Trotz der körperlich anspruchsvollen Arbeit bei Temperaturen von bis zu über 50°C im Sommer wurde den Beschäftigten der Zugang zu Trinkwasser erschwert. Ein Arbeiter wurde bereits während der Schicht ohnmächtig, ein Arzt diagnostizierte eine Dehydrierung. Dagegen behauptete ein Vorarbeiter, der Fall sei auf eine selbstverschuldete Lebensmittelvergiftung zurückzuführen. Seitens der Vorarbeiter beklagen die Arbeiterinnen und Arbeiter immer wieder Demütigungen und Einschüchterungsversuche, zudem kam es vor, dass Vorarbeiter ihre Taschen ohne Erlaubnis durchsuchten.

Die Hinweise und Beschwerden der Arbeiterinnen und Arbeiter stießen bei der Unternehmensleitung auf taube Ohren. Deshalb wandte sich die Belegschaft im September 2017 an die Gewerkschaft SOC-SAT. Die Kolleginnen und Kollegen gründeten eine Betriebsgruppe und hielten Belegschaftsversammlungen ab, in denen sie über den Tarifvertrag und Arbeitsrechte aufklärten.

Mit Begleitung der SOC-SAT beantragte die Betriebsgruppe schließlich ein Schlichtungsverfahren vor dem Arbeitsschiedsgericht SERCLA. Nachdem EUROSOL in einer ersten Verhandlung im Oktober 2017 zusagte, auf die Forderungen einzugehen, wurde der Konflikt zunächst beigelegt. Allerdings setzte das Unternehmen keine der vereinbarten Maßnahmen um, sodass im November 2017 eine zweite Verhandlungsrunde anberaumt wurde. Auch bei dieser sagte EUROSOL zu, die Forderungen umzusetzen. Diesmal wurde zwar ein Bustransport zur Betriebsstätte eingerichtet, die übrigen Forderungen blieben jedoch weiterhin unerfüllt. Im Februar 2018 kam es daraufhin zu einer dritten Verhandlungsrunde. Diese endete ohne Übereinkunft.

Das SERCLA sieht vor, dass nach drei durchlaufenen Verhandlungsrunden ohne Übereinkunft ein Warnstreik durchgeführt werden kann. Die Belegschaft machte von diesem Recht Gebrauch und legte am 2. März 2018 die Arbeit nieder.

Mit Verweis auf den Streiktag entließ die Geschäftsführung am 16. März 2018 zwei Arbeiter aufgrund von „Disziplinarverstößen“. Die Suspendierungen vier weiterer Kolleginnen und Kollegen folgte vier Tage später.

Strategie und Motivation der Belegschaft

Die Arbeiterinnen und Arbeiter wollen sich von den drastischen Maßnahmen der Unternehmensführung nicht einschüchtern oder spalten lassen. Bei Versammlungen mit der Gewerkschaft betonen sie regelmäßig ihren Willen, gemeinsam für die Wiedereinstellung der entlassenen Kolleginnen und Kollegen und weiter für würdige Arbeitsbedingungen ohne Schikanierungen durch Vorgesetzte zu kämpfen. Dabei verfestigt und wächst die gewerkschaftlich organisierte Gruppe im Betrieb und erfährt zahlreiche Unterstützung von außerhalb. Die Strategie des Arbeitskampfes wird auf mehreren Ebenen verfolgt: Bei Aktionen im und vor dem Betrieb, auf gerichtlichem Wege und durch Druck entlang der Lieferkette von EUROSOL. So ruft die Gruppe zu einer Demonstration in Almería auf, wird die Entlassungen vor dem lokalen Arbeitsgericht anfechten sowie Großkunden und öffentliche Geldgeber in Spanien und Europa über die untragbare Situation bei EUROSOL informieren.

 

Diesen Beitrag teilen: