Von Schikanen der Chefs und dem Kampf der Frauen – 3. Bericht der Brigada “Saïda Menebhi”
In der dritten Woche waren wieder die Acciones Sindicales fester Bestandteil der Unterstützung der SOC-SAT. So ging es morgens weiterhin mit einem festen Kern der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter*innen zu den verschiedenen Produktionsstätten von BioSabor, um den Druck auf das Unternehmen weiter zu erhöhen. Unterstützung dabei erhielten wir von María, welche im Gewerkschaftslokal der SOC-SAT in Jódar aktiv ist. Positiv zu werten ist auch der Zuwachs an den morgendlich teilnehmenden Arbeiter*innen, die für ihre Rechte zu kämpfen.
Inhalt:
1 Ein bunter Aktionstag in der Gemeinde “El Puche”
2 Kritische Einmischung auf dem Campus der Uni Almería
3 Strategietreffen mit Arbeiter*innen von Biosabor…
4 …und “Verhandlungen” mit dem Chef
5 Besuch aus Granada – Input zur Geschichte der SOC-SAT
6 Ein Wochenende mit Arbeiter*innen von Biosabor und Wiedersehen mit der Belegschaft von Eurosol
7 Cádiz: Erstes Treffen der Feministischen Schule der SAT
Ein bunter Aktionstag in der Gemeinde “El Puche”
Am Dienstag den 18. September und Mittwoch den 19. September waren wir zu Gast in El Puche um die dortige „Asociación Annahda“ bei der Umgestaltung ihrer Fassade zu unterstützen.
Hinter der „Asociación Annahda“ steht eine Nachmittagsschule, die es sich zur Aufgabe gemacht hat den marginalisierten Kindern und Jugendlichen bei ihren schulischen Aufgaben zu helfen. Allerdings finden dort auch die regelmäßigen Treffen der „Asociación de l@s Vecin@s del Puche“ (Nachbarschaftsgemeinde) statt.
Gemeinsam mit den Schüler*innen gestalteten wir die Vorderseite des Gebäudes, wobei ein Augenmerk auf klaren Positionierungen gegen Abgrenzungsmechanismen
wie Rassismus, Homophobie und Sexismus lag. Auf insgesamt vier Wänden wurden verschiedene Gestaltungsideen realisiert, um die Wünsche aller Involvierten einfließen lassen zu können. Ein weiterer Wunsch war es den am Gebäude anliegenden Gang zu verschönern.
Hierfür hatte die durch die „Asociación de l@s Vecin@s del Puche“ getragene Nachmittagsschule schon begonnen den Vorgarten zu bepflanzen und zu säubern. Wir leisteten auch einen kleinen Beitrag in Form von fünf geschenkten Pflanzen, welche auch noch am selbigen Nachmittag eingepflanzt wurden.
Es stellte sich heraus, dass das Gebäude in welchem der Verein beherbergt ist, der „Junta de Andalucía“ (Verwaltung von Andalusien) gehört. Diese ist dem Projekt gegenüber weniger optimistisch eingestellt, was sich in verschiedenen Schikanen seitens der Junta wiederspiegelt. So muss zum Beispiel der Schlüssel jede Woche neu abgeholt werden, Strom ist nur begrenzt nutzbar und von der eigentlichen Anzahl potenziell nutzbarer Räume ist nur ein Raum verfügbar.
Kritische Einmischung auf dem Campus der Uni Almería
Eine unserer Brigadistinnen wird die nächsten sechs Monate an der Uni in Almería ihr Erasmus- Semester verbringen. In der Einführungswoche war auch das Plastikmeer ein Thema. Mit schönen Worten wurde vor allem von der industriellen Landwirtschaft und dessen Bedeutung für die Region und für den Rest Europas gesprochen, ohne auch die Arbeitsbedingungen und strukturellen Probleme dieses Systems zu erwähnen. Deshalb entschlossen wir unsere Kritik auf den Campus zu bringen.
Mit Schnittchen und Tomatensauce suchten wir das Gespräch mit Studierenden und Dozierenden. Über den Aufhänger “Was steckt eigentlich hinter diesen Tomaten aus dem Supermarkt, die wir gerade und tagtäglich, verzehren?”, sprachen wir über die ausbeuterischen Strukturen in den Gewächshäusern und Abpackhallen in Almería und Umgebung, den lokalen Tarifvertrag, derzeitige Arbeitskämpfe und der Arbeit der SOC-SAT sowie unserer Rolle als Konsument*innen und Brigadist*innen aus Deutschland. Einige waren überrascht, andere dankbar für unsere Aktion, wiederum andere teilten ihre Erfahrungen als Kinder von Landwirt*innen und Saisonarbeiter*innen. Die Diskussionen und der Austausch zeigten vor allem die Betroffenheit und unmittelbare Nähe des Themas im Alltag vieler hier Lebenden. Zudem wurde ersichtlich, dass Raum in der Uni fehlt für kritische Perspektiven und Debatten diesbezüglich.
Strategietreffen mit Arbeiter*innen von Biosabor…
Diese Woche fand auch eine Lagebesprechung mit den Arbeiter*innen von Biosabor statt. In diesem konkretisierten sie ihre Forderungen an das Unternehmen um den Arbeitskampf weiter voranzutreiben. Neben den Forderungen diskutierten sie, wie Einigkeit und Mobilisierung anderer Kolleg*innen aussehen und wie der Spaltung in der Arbeiterschaft vorgebeugt werden kann.
Deutlich zeigten die organisierten Arbeiter*innen, wie der Arbeitskampf einiger für das Wohl der ganzen Belegschaft einsteht und es deshalb dafür so viel Rückenwind wie möglich bedarf. Gleichzeitig äußerten auch viele Zweifel und existenzielle Ängste, die damit verbunden sind. Wir stellten bei der Gelegenheit unsere transnationale Strategie gegen Biosabor vor und teilten den aktuellen Stand mit. Bei den Arbeiter*innen fand dies positiven Anklang und Motivation für ihren eigenen Arbeitskampf. Letztendlich einigten sie sich auf folgende Forderungen:
- Beendigung der Repressionen gegen die gewerkschaftlich organisierten Compañeros
- Wiedereinstellung der 4 ungerechtfertigt gekündigten Arbeiter
- Einhaltung der 20min Pause und Übernahme der Transportkosten (0,19 EUR* km)
- Einstellen der wirtschaftlichen Druckmittel gegen den Compañero M.
- Übereinkunft mit der SAT bezüglich der Verpflichtung zur Einhaltung des Tarifvertrages und der Aufrechterhaltung eines offenen Kommunikationskanals, um Arbeitskonflikte zu lösen
…und “Verhandlungen” mit dem Chef
Die Forderungen wurden am nächsten Tag zum Verhandlungsgespräch mit dem Chef des Unternehmens gebracht. Das Treffen fand in einer Anwaltskanzlei in Almería statt, nicht wie vereinbart im Hauptsitz von Biosabor.
Anscheinend hatte der Chef von Biosabor sich mit seinem Anwalt beraten und empfing uns daher in anwaltlicher Begleitung. So befanden sich beim Treffen zum einen der Rechtsberater von Biosabor (ironischerweise war er auch der ehemalige Rechtsbeistand der SAT), der Besitzer der örtlichen Kanzlei mit dem Chef von Biosabor Francisco Belmonte und zum anderen die Gewerkschafterin María, von der SAT Jaén, sowie eine Brigadistin. Während des Treffens brachte María die vereinbarten Punkte der Arbeiter*innen aus dem Treffen des Vorabends ein. Sie machte ersichtlich, dass die Gewerkschaft gemeinsam mit den Arbeiter*innen in erster Linie versucht die Arbeitskonflikte in über Dialog zu lösen. Daraufhin erwiderte Belmonte aufgebracht, dass es in seinem Unternehmen keine Konflikte gäbe. Der Unternehmer mache sich zur Aufgabe das landwirtschaftliche “Erfolgsmodell Almería“, zu repräsentieren. In diesem wären und seien Unternehmer wie er im gleichen Sinne Arbeiter wie alle anderen auf dem Land auch. Belmonte verteidigte unerbittlich seine Rolle als Arbeiter und warf der Gewerkschaft Agitation vor. Auch bezeichnete er die Art und Weise der Gewerkschaft über Unternehmensberichte die internen Praktiken des Betriebs zu denunzieren als ungerecht und rechtswidrig. Der Rechtsberater würde sich dieser Problematik annehmen. In einem arroganten Ton erkannte dieser an, dass die Firma Gesetzeslücken und rechtlichen Interpretationsspielraum nutze um den Tarifvertrag so zu implementieren, dass es möglichst rentabel sei für das Unternehmen.
Er bergündete die Umstrukturierung der Belegschaft anhand der gesunkenen Arbeitsleistung seiner Angestellten und aufgrund roter Zahlen am Ende der Saison in der Finca von Biobelmonte (einem Subunternehmen der Gruppe Biosabor). Zufälligerweise betrifft dies genau die Finca, in der die Arbeiter sich für ihre Rechte organisiert haben. Konkret heiße das, dass die Arbeiter dieser Finca seit der letzten Saison von den 20 Minuten Pause Gebrauch gemacht haben, was zur Produktivitätssenkung der Finca geführt habe.
Der gastgebende Anwalt versuchte in der Debatte zu vermitteln, da es nicht so schien als würde es zu einer Einigung kommen. In geschickter Art und Weise schlug er vor, sich auf die Punkte bezüglich der Wiedereinstellung der Compañeros und der Lösung der ökonomischen Situation von M.K. zu konzentrieren. Sein Klient Belmonte gab widerwillig nach. Da wir es als wichtig und notwendig betrachteten das Gesagte zugesichert zu bekommen, schlug María vor, es in einem Einwilligungsschreiben zu verschriftlichen. Doch darauf wollte sich Belmonte auf keinen Fall einlassen.
Trotz alledem gingen wir mit dem Gefühl aus dem Treffen heraus, der Einigung im Konflikt einem Schritt näher zu sein. Am folgenden Montag, wurde uns klar, dass wir den Zynismus des Unternehmers und seiner Vertreter, unterschätzt hatten. Heute, 6 Tage nach dem Treffen, wurden die Compañeros immer noch nicht wiedereingestellt, es wurde nicht mit M.K. über seine Situation verhandelt, und oben drauf, haben sie die regulären Arbeitsschichten verkürzt, um die obligatorischen 20 Minuten Pause nach 4 Stunden Arbeit zu umgehen. Es wurde den Arbeiter*innen kommuniziert, dass die Gewerkschaft für die Kürzung des Arbeitstages verantwortlich sei. In Anbetracht dieser heuchlerischen und feigen Vorgehensweise, sieht sich die Gewerkschaft nun verpflichtet weiter den Weg der direkten Aktion zu wählen.
Besuch aus Granada – Input zur Geschichte der SOC-SAT
Ein Compañero der SAT Granada kam zu Besuch um uns einen Vortrag über die Geschichte der SOC- SAT zu halten. In dieser erfuhren wir u.a. mehr zur kommunalen Verwaltung von Marinaleda durch den politischen Arm der Gewerkschaft, aber auch zu ihren Kooperativen und Landbesetzungen in jüngster Vergangenheit.
Interessant war es auch von der gewerkschaftlichen Arbeit der SAT in den urbanen Zonen zu erfahren, wie zum Beispiel ihre Arbeitskämpfe im Dienstleistungssektor und in der Uni. Es war ein sehr bereichernder Input und Austausch. In den kommenden Brigaden möchten wir diese Vernetzungsarbeit mit anderen SAT Lokalgruppen verstärken.
Ein Wochenende mit Arbeiter*innen von Biosabor und Wiedersehen mit der Belegschaft von Eurosol
Den Samstagabend verbrachten wir mit den Arbeiter*innen von BioSabor bei einem gemeinsamen Abendessen. Angedacht war es die Bindung zwischen der Gewerkschaft und den Arbeiter*innen zu stärken und die Familien der Arbeiter*innen kennenzulernen. Besonders im Zusammenhang des anstehenden Arbeitskampfes hielten wir es für sinnvoll dieses gruppendynamische Treffen noch vor der Abreise aller Brigadist*innen zu organisieren, um auch für zukünftiges Zusammenarbeiten eine Vertrauensbasis zu schaffen. Weiterhin sollte auch über das Treffen mit Francisco Belmonte berichtet werden und neue Strategien bezüglich der Situation mit BioSabor entworfen werden.
Am darauf folgenden Sonntag verbrachten wir den frühen Nachmittag mit einigen Arbeiter*innen von Eurosol, mit welchen im vergangenen März ein erfolgreicher Arbeitskampf um die Einhaltung des gültigen Tarifvertrags geführt wurde. Es wurde lecker gegessen, getrunken und die Stimmung war ausgelassen.
Cádiz: Erstes Treffen der Feministischen Schule der SAT
Themen des Wochenendprogramms:
- Andalusischer Feminismus
- Gewerkschaft und Frauen
- Die Erntehelferin in Andalusien
- Der Feminismus, den wir in der SAT wollen: Der Fall Huelva
Vom 22.- 23. September fand die ihrer Art erste feministische Schulung der SAT statt. Organisiert wurde sie von der lokalen Vereinigung der SAT in San Lúcar de Barrameda, in der Region Cádiz. Aus Almería reisten 2 Brigadistinnen, Chiqui (El Puche), Laura (Rechtsberaterin der SAT Almería) an, auf dem Weg nahmen wir noch María (SAT Jódar) und Sole (SAT Granada) mit. Die 472km Fahrtweg füllten wir mit Anekdoten, Debatten und Reflexionen. Wir hatten große Erwartungen und freuten uns schon sehr auf das bevorstehende Wochenende.
Als wir ankamen, hatte die erste Präsentation bereits angefangen, trotzdem stellte die Compañera Pastora (SAT Sevilla) uns der Runde vor und gab eine kurze Zusammenfassung des bereits Gesagten: Die materielle und ökonomische Situation Andalusiens unterscheidet sich vom Rest des spanischen Staates. Sie sprach davon, wie diese Situation über einen Diskurs der Ungleichheit gerechtfertigt wird, in dem Andalusien als unterentwickeltes und ökonomisch sowie kulturell unterlegenes Territorium dargestellt wird. Wie in anderen Teilen der Welt, wurden auch hier in der Vergangenheit Ideen und Lebensformen einer solidarischen Gemeinschaft, die das kapitalistische System und die imperialistischen Lebensweisen hinterfragen, gar bis zum Tode verteidigt. Pastora‘s Vorschlag ist das Leben wieder ins Zentrum der menschlichen Aktivitäten zu bringen, die Erinnerung an den Widerstand und den Kampf der Menschen in Andalusien wiederzubeleben und sich aus dem andalusischen Kontext heraus als antikapitalistische, dekoloniale Andalusierinnen zu positionieren.
Nach der Küfa im Gewerkschaftslokal und einer kurzen Siesta, ging es weiter im Gespräch mit drei Compañeras, die über ihre Erfahrungen in Arbeitskämpfen sprachen. Mariza, ehemalige Arbeiterin bei Eléctrica de Cádiz, gewann nach 7 Jahren Arbeitskampf den Rechtsstreit gegen das Unternehmen. Ana, Bildungspersonal in einer Schule in Cádiz, organisierte sich mit 800 weiteren Arbeiter*innen um für unbefristete Arbeitsverträge und gegen das zunehmende Outsourcing im Bildungssektor zu kämpfen. Maika, Erntehelferin in Frankreich und Arbeiterin im Dienstleistungssektor in Granada, erzählte uns von ihren Methoden sich gegen sexuelle Belästigungen in ihrem Arbeitsfeld zu wehren.
Am Abend stand das letzte Podium für den Tag an. María M., andalusische Erntehelferin, erzählte uns von ihrem Kampf als Arbeiterin anerkannt zu werden und nicht nur als eine Erweiterung der männlichen Figur auf dem Feld angesehen zu werden. Susana Falcón, Journalistin und Aktivistin der SAT, präsentierte uns ihr Buch „Lo dieron todo “(“Sie gaben alles”) (Ed. Atrapa Sueños). Es ist eine Sammlung von zehn Interviews mit Erntehelferinnen des andalusisch, kommunistischen Dorfes Marinaleda.
Den Abend über genossen wir die Gastfreundschaft der Compañeras, welche uns auch bei sich zu Hause beherbergten. Am nächsten Morgen nach einem Café con Leche und einer Tostada, fuhren wir mit dem Fall von Huelva fort. Drei Compañeras und Erntehelferinnen aus Huelva waren zu Gast, um uns einen Überblick über die konstante Ausbeutung und Gewalt auf den Feldern der Region Huelva zu geben: „In Huelva ist das Problem der Tarifvertrag selbst. Die Unternehmer*innen definieren den Tarifvertrag anhand des Artikels 33 des lokalen Tarifvertrags für Landarbeit, welcher besagt, dass die Arbeiter*innen die internen Normen des Unternehmens zu befolgen haben.“
An diesem Morgen haben wir den ersten Schritt zur Planung und Ausgestaltung einer lokalen Vereinigung in Huelva, die bisher lediglich aus zwei Personen bestand, geschafft. Neben der Erstellung einer Liste von möglichen Unterstützer*innen, der Definierung von Kommunikationskanälen, und der Gründung einer kontinuierlichen Arbeitsgruppe, wurden Verantwortlichkeiten unter den Teilnehmenden verteilt. Auch Interbrigadas sagte Unterstützung bezüglich der zukünftigen Kampagnen zu, und bat sich als Übermittler und Informationsquelle zum Thema für den deutschsprachigen Raum an.