Venezolanische Gewerkschafter*innendelegation: Oktober 2014 – Zweiter Teil: Hannover, Göttingen, Bielefeld
Nach unserem Aufenthalt in Salzgitter ging es weiter nach Hannover, um dort an der drei Tage dauernden Streikkonferenz der Rosa Luxemburg Stiftung teilzunehmen. Dabei reisten GewerkschafterInnen aus ganz Deutschland an und es kam gleich zu einem Wiedersehen mit unseren neuen Freunden aus Salzgitter…
Am Nachmittag trafen wir uns mit Reiner Eifler, dem Geschäftsführer der DGB-Region Niedersachsen-Mitte. Er gab uns einen geschichtlichen Überblick über die Kämpfe der Region, die strukturellen Veränderungen und den Organisationsgrad in den einzelnen Gewerkschaften des Dachverbandes DGB. Im Anschluss liefen wir in die Innenstadt, um an der Demonstration vom 3. Oktober »Gegen Armut und Leistungsdruck« teilzunehmen, eine Gegenveranstaltung zur Einheitsfeier der Bundesregierung. Die Beteiligung war groß und es wurden vor allem Themen wie die Abschottung Europas gegen Flüchtlinge und die zunehmende Armut und Ausgrenzung angesprochen. Neben abendlichen Rundgängen durch die Stadt haben wir unsere Freizeit für die Fertigstellung einer Präsentation verwendet, mit der wir die unterschiedlichen Selbstverwaltungserfahrungen in den drei Fabriken der VenezolanerInnen vorstellten.
Am folgenden Tag brach die Flüchtlingspolitik Deutschlands greifbar in die gewerkschaftliche Realität ein, als sudanesische Flüchtlinge auf dem Podium eine Rede hielten. Diese hatten den der Streikkonferenz gegenüberliegenden Platz seit Monaten besetzt gehalten und wohnten dort in Zelten. Sie sprachen zum einem davon, dass die deutsche Regierung, ganz im Gegensatz zu Amnesty International, den Sudan als sicheres Herkunftsland einstuft und daher ein Asylantrag für Geflüchtete schwierig zu bekommen sei. Zum anderen kritisierten sie, dass der DGB am selben Tag das von Flüchtlingen besetzte Verwaltungsgebäude des Dachverbandes in Berlin von der Polizei räumen ließ, anstatt bei einer Lösungsfindung mitzuhelfen. Auf der Streikkonferenz wurden sogleich Unterschriften gesammelt, um gegen die Räumung durch den DGB zu protestieren. Den VenezolanerInnen gefiel diese schnelle Reaktion der BasisgewerkschafterInnen. Nachmittags trafen wir uns noch mit dem Jugendbildungsreferenten Jan Laging der IG Metall Jugend. Er stellte uns ein Bildungsprojekt an Schulen vor, bei dem SchülerInnen betriebliche Interessenvertretungen kennen lernen. Im Gespräch entwickelte sich mit Yasmin, Albert und David eine anregende Diskussion darüber was für eine Rolle Gewerkschaften in der Gesellschaft spielen sollten.
Am folgenden Tag fuhren wir weiter nach Göttingen und besuchten dort zuerst den aluminiumverarbeitenden Betrieb Novelis. Dabei begleiteten uns Bianka Berlin vom DGB und der Journalist Helge Buttkereit, der über die Delegation einen Bericht für das Neue Deutschland (ND) verfasste. Er stellte uns freundlicherweise ein paar Fotos der Betriebsbesichtigung zur Verfügung. Abends beim Essen lernten wir zufällig ein paar Kubaner und Chilenen kennen, die uns im Restaurant gegenüber saßen. Sie luden uns für den nächsten Abend zu einem Gespräch ein, welches sich jedoch schnell zu einer Feier wandelte; mit lateinamerikanischen Liedern die der ICAP-Chef (Kubanisches Institut für Völkerfreundschaft) auf der Gitarre anstimmte.
Am Tag darauf besuchten wir das DGB-Hauptgebäude in Göttingen, wo der Historiker Joachim Bons einen Inputvortrag über die ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsgeschichte in Deutschland hielt. Am Nachmittag fuhren wir weiter nach Bielefeld, wo die VenezolanerInnen noch am selben Abend das erste Mal in einem öffentlichen Vortrag über ihre Betriebe berichteten. Die Veranstaltung fand in der VHS Bielefeld statt.
Morgens ging es dann weiter zu unser nächsten Fabrikbesichtigung. Wir besuchten den Werkzeug-Maschinen produzierenden Betrieb Gildemeister, dessen hochmoderne Fertigungsanlagen wir leider nicht fotografieren durften. Neben dem Rundgang gab es davor und danach Gespräche mit zwei Betriebsräten, die uns ausführlich zur Beschäftigungsstruktur und den momentanen Umwälzungen im Arbeitsmarkt durch die Implementierung der sogenannten 4.0 Technologie erzählten. Wie es bei allen Treffen mit Betriebsräten üblich geworden ist, haben die VenezolanerInnen als Solidaritätsgeschenke kleine Windschutzscheiben der VivexFabrik überreicht.