Erster Brigadebericht der Frühjahrsbrigade Paco Cabello

11. April 2024|Brigaden

Ein kleine internationale Brigade findet zurzeit in Almeria für zwei ein halb Wochen statt. Seit einiger Zeit diskutieren wir die Idee eine internationalen Brigade nach Berlin mit Arbeiter: innen aus Andalusien zu organisieren. Nun wollen wir die Idee diesen Sommer umsetzten und sind deshalb nach Almeria gefahren, um persönlich und gemeinsam die Delegationsreise mit Betriebsrät:innen und gewerkschaftlich Aktiven aus unterschiedlichen Unternehmen und Orten zu organisieren.
Die Brigade haben wir nach dem Genossen und Gewerkschaftssprecher der SAT in Granada Paco Cabello benannt. Er verstarb leider letztes Jahr während unserer letzten internationalen Brigade Lucia Sanchez Saornil im Spätsommer an einer schweren Krankheit. Er setzte sich viel für die Arbeits- und Lebensbedingungen in der Gastronomie und Hotellerie in Granada ein. Für weitere Informationen über Paco könnt ihr hier weiterlesen.

Beratung und gewerkschaftliche Aktionen
Die ersten Tage unserer Brigade zeigten uns mal wieder, wie viele Menschen von den prekären und menschenunwürdigen Arbeitsverhältnissen hier betroffen sind. Wir setzten uns bei den wöchentlichen Beratungen in den Lokalen in Almería und San Isidro dazu und bekamen somit einen guten Einblick über die aktuellen Kämpfe und Fälle der SOC-SAT. Auch einzelne Personen waren mit Anliegen und Fragen bei der Beratung, welche alle auf eine und dieselbe Antwort hinausliefen: “Eso es ilegal!”. Die Beratung quilt weiterhin über und sie kommen nicht mit allen Fällen hinterher. Überall liegen Anfragen herum und täglich kommen neue dazu.
In San Isidro ist uns insbesondere eine Beratung stark im Gedächtnis geblieben. Eine große Gruppe von Arbeitern, von denen einige noch sehr jung waren, kamen zur Beratung, da sie alle gerade entlassen wurden. Das Unternehmen, bei dem sie angestellt waren, ist Nijar Green Bio. Nijar Green Bio hat gerade erst Subventionen vom EU-Fond von 750.000 € für Neuanschaffungen, Geräte etc. erhalten und bisher nur die Hälfte davon ausgegeben. Am folgenden Montag waren wir dann für eine acción sindical bei Nijar Green Bio, bei der auch Unterschriften gesammelt wurden, für einen geplanten Streik.
Zwei Betriebsräte von der Firma El Ciruelo haben uns zudem erzählt, dass sie seit einiger Zeit immer nach der Arbeit auf dem nach Hause weg in den Bussen angehalten werden und kontrolliert werden, über eine Stunde mit illegalen Methoden. Außerdem sagten sie uns, dass sie von Anfang März bis Ende Juli jeden Tag! (ohne Ruhetag) durcharbeiten. Wir haben ihnen von der Delegationsreise erzählt. Sie waren sehr interessiert und haben direkt vorgeschlagen, dass von jedem Unternehmen jeweils 5 Leute mitkommen sollten!!

Brigadeziele
In der Zeit, in der wir hier sind, wollen wir uns zum einen auf die Beziehungsarbeit, als auch der strategischen Ausrichtung unserer politischen Arbeit widmen. Auch unsere Zusammenarbeit mit der SAT wollen wir gemeinsam mit der Gewerkschaft weiterdenken. Außerdem wollen wir über die Finca der SAT sprechen, welche Möglichkeiten es dort gibt und was schon geplant ist. Unter der Beziehungsarbeit verstehen wir das Schaffen einer direkten Vertrauensbasis mit den Arbeiter:innen und einem intensiven persönlichen Austausch.

Delegationsreise
Wir planen seit Ende letzten Jahres eine Delegationsreise von Arbeiter:innen aus Almería nach Berlin. Seit vielen Jahren organisieren wir internationale Brigaden von Deutschland nach Südspanien, aber noch nie von Südspanien nach Deutschland. Internationalismus bedeutet voneinander über Grenzen hinweg zu lernen, deshalb ist es höchste Zeit diese schon länger existierende Idee der Delegationsreise umzusetzen. Sie soll diesen Sommer im Juli stattfinden.
Die Planung dieser Reise zusammen mit den Delegierten ist ein Hauptziel der aktuellen Brigade.
Idee der Delegationsreise ist es außerdem, dass eine Selbstorganisierung stattfinden kann, in der ein direkter Kontakt der Arbeiter:innen mit anderen Akteur:innen der Lieferkette besteht. Dadurch kann eine autonomere Struktur geschaffen werden, die die Gewerkschaftsarbeit der SAT erweitert. Aus diesem Grund haben wir uns in der ersten Woche viel mit Betriebsrät:innen getroffen, mit denen wir zuvor schon in engem Kontakt standen, um mit ihnen über die internationale Brigade im Juli nach Deutschland zu sprechen. Bei den Treffen wollen wir auch über Wünsche, Erwartungen und Ideen für die Zeit, in der die Delegadxs in Berlin sind sprechen. Die 5 Personen, die kommen werden, teilweise mit ihren Familien, sind aus unterschiedlichen Unternehmen und Strukturen. Jedoch ist für alle klar, dass sie im Namen ihrer Belegschaft und der Arbeiter:innen der Landwirtschaft aus Andalusien sprechen. Auch Betriebsrät:innen, die nicht Teil der Reise seien werden, schlugen vor, Listen anzufertigen mit Forderungen, Beschreibungen der Arbeitsbedingungen und Beweisen.

Gewerkschaftlicher Alltag
Auch der Austausch, meist auf den Autofahrten, mit Jose, dem Gewerkschaftssprecher der Soc-Sat, ist sehr interessant und bereichernd für unsere strategische Ausarbeitung. Er erzählte auch, dass vor ein paar Wochen eine Delegation von Lidl hier war und den Kontakt zu Arbeiter:innen und zur SOC-SAT gesucht hat. Auch deutsche Fernsehsender, wie ARD und ZDF sind gerade hier sehr aktiv.

Casí ruina! – Der Betriebsratsvorsitzende wurde gekündigt
Am Freitag haben wir uns mit Diego und seiner Familie getroffen. Er wurde Ende Januar bei seiner Firma Casí wegen belanglosen Gründen entlassen. Der Gerichtstermin, wo es um die Wiedereinstellung gehen wird, ist am kommenden Donnerstag. Diego wird Teil der Delegation im Sommer sein. Deswegen haben wir uns mit ihm getroffen, um über die aktuelle Situation zu sprechen und die Reise zusammen zu planen. Er und seine Familie stehen aktuell sehr unter Druck, wegen der Entlassung und der dadurch ausgeübten Repression durch das Unternehmen. Die Repressionen greifen sehr stark in das Privatleben seiner Familie ein. Das Unternehmen hat unter anderem Privatdetektive angeheuert, die vor seiner Wohnung warten. Außerdem ist Casí sogar soweit gegangen, dass sie mit Lehrer:innen in der Schule seiner Kinder gesprochen hat, sodass sie die Schule wechseln mussten. Kurz vor dem Gerichtstermin, hat Casí ihn ein zweites Mal entlassen, um den Druck auf ihn und seine Familie weiter zu erhöhen. Bei dieser Entlassung ging es um den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs gegenüber anderen Beschäftigten, obwohl Diego zu dem vorgeworfenen Zeitpunkt krankgeschrieben war. Die Repression ist erdrückend, aber Diego wirkt dennoch sehr kämpferisch und will für seine Wiedereinstellung einstehen. Wir werden am Donnerstag vor Gericht dabei sein, um ihn zu unterstützen.

Erster Zusammenkommen mit den Delegierten
Am Samstag hatten wir dann, das erste offizielle Treffen mit ein paar der Delegierten in San Isidro. Es ging erstmal um organisatorische Dinge und dann aber auch um inhaltliche Punkte der Delegationsreise. Es war ein sehr schönes Wiedersehen. Vor allem war es schön, nach ersten zögernden Verhalten, wie die Stimmung miteinander schnell wieder vertraut wurde. Die Arbeiter:innen tauschten sich viel über ihre aktuelle Kämpfe, Situation und Strategien aus. Die vielen Witze über Unternehmer:innen sorgten für eine heitere Stimmung.

In Pulpí sind nicht nur die Zitronen sauer
Am Montag ging es dann mit José nach Pulpí zum Unternehmen Frupale. Pulpí liegt ca. 100 km weit entfernt von Almería und ist trotzdem noch Einzugsgebiet der SAT Almería. In Pulpí wird hauptsächlich Salat und Zitrusfrüchte angebaut. Dort gibt es einen unternehmensnahen Delegado, der seiner Arbeit als Gewerkschaftsvertreter nicht nachkommt. Deswegen sollte an diesem Montag eine von der Gewerkschaft angemeldete Abstimmung (zwei Wochen vorher) durchgeführt werden, um ihn seines Amtes zu entheben. Als wir ankamen und nach einer Liste der Stimmberechtigten Belegschaft gefragt haben, wurde uns gesagt, dass die zuständige Kollegin aktuell im Urlaub ist und sie uns deshalb die Liste nicht geben können. Daraufhin trafen wir uns etwas abseits mit Arbeitern, die aktuell krankgeschrieben oder in unbezahlter Kurzarbeit sind. Sie erzählten uns, wie die Arbeitsbedingungen in ihrem Betrieb sind. Unteranderem, dass Biofrüchte mit konventionellen Früchten aus anderen Plantagen gemischt werden und dann aber alle als Bio zertifiziert verkauft werden. Dieses Vorgehen ist üblich, wie uns Arbeiter:innen aus anderen Unternehmen ebenfalls erzählten. Wir warteten 2 1/2 h bis die restliche Belegschaft Feierabend hatte und haben dann Unterschriften gesammelt, um eine Beschwerde bei der Inspecion de Trabajo einzureichen. Die Abstimmung wurde auf den 15.04 verschoben.

EU-Subventionen für Greenwashing und union busting
Am Dienstag gab es eine Acción sindical bei NijarGreenBio. Dort wurden einige Arbeiter gekündigt und es geht jetzt um die Wiedereinstellung. Wir fuhren nach Campohermoso und haben einige der gekündigten Arbeiter eingesammelt. Ein paar weitere kamen auf dem Weg zum Gewächshaus dazu. Als wir vor dem Gewächshaus von NijarGreenBio ankamen, kamen die noch Arbeitenden heraus und stellten sich zu uns. Es stellte sich heraus, dass sie gerade ohne Vorarbeiter arbeiteten. José besprach mit ihnen das weitere Vorgehen, einen Streik nächste Woche am Dienstag. Es wurden Unterschriften gesammelt für die Anmeldung des Streiks. Irgendwann kam ein Vorarbeiter und erkundigte sich nach der Situation. Er war sehr zurückhaltend und wusste offensichtlich nicht, was er sagen soll. José meinte zu ihm, dass auch er ein Arbeiter ist und sich gerne bei ihm melden kann. Er ging relativ schnell wieder. José rief dann die Chefin an, um nachzufragen wie es hier weitergehen soll. José setzte die Chefin etwas unter Druck und dann war das Gespräch vorbei. NijarGreenBio hat vor kurzem eine EU-Subvention von 750.000€ bekommen, welche das Unternehmen bis jetzt erst zur Hälfte ausgegeben hat.

Die Finca der SAT
Letzten Mittwoch sind wir auf die Finca der Asociación de los Amigos y Amigas del SAT gefahren. Wir pflanzten Olivenbäume und beschnitten ältere Olivenbäume. Die Finca ist seit ein paar Jahren im Besitz der Asociación. Es gibt Pläne für eine Olivenölproduktion, sowie die Renovierung der alten Häuser auf dem Gelände. Dort könnten in Zukunft Gewerkschaftsbildungen o.Ä. stattfinden.
Mittags gings dann nach San Isidro zu den Delegadas von Campojoyma. Wir konnten mit den Delegadas gut über die Delegationsreise ins Gespräch kommen. Es gab ein paar Ideen, was spannend wäre auf der Delegationsreise zu behandeln. Einmal wurde gesagt, dass es interessant wäre zu wissen, was die Produkte von Campojoyma in Deutschland im Supermarkt kosten. Außerdem wäre es spannend zu wissen ob Konsumentinnen über die Arbeitsbedingungen in Andalusien Bescheid wissen. Wir haben die Delegadas damit beauftragt, eine Liste anzufertigen, auf welcher sie Arbeitsrechtsverletzungen in ihrem Betrieb festhalten, um dann auf der Delegationsreise konkrete Fakten zu haben, für eventuelle Treffen mit Supermärkten und/oder Zertifizierungen. Das Gespräch hat sich dann aber in Erzählungen aus dem betrieblichen Alltag gewendet und José wurde zu arbeitsrechtlichen Dingen befragt. Die Delegationsreise stieß auf jeden Fall auf großen Anklang.
Am Abend haben wir dann eine weitere Genossin am Flughafen in Almería abgeholt und sind nun zu dritt!

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