Abschlussbericht der Sommerbrigade Kuba 2022

19. November 2022|Berichte, Brigaden

Wir möchten euch von der Sommerbrigade 2022 berichten und zunächst um Verständnis werben, dass nicht bereits mehrere Posts dazu auf unserer Webseite erschienen sind. Wir haben nun diesen ausgiebigen Abschlussbericht verfasst, da wir aufgrund von Stromausfällen in Kuba dort noch keine Fotos sortiert und keine einzelnen Posts geschrieben haben (mehr dazu in der Vorbemerkung). In den letzten zwei Monaten kamen wir durch Lohnarbeit und sonstige politische Tätigkeiten bis jetzt nicht dazu alles Material zu sichten. Unsere Berichterstattung in Kuba hatte sich durch die Umstände auf Instagram verlagert, wo wir mit unseren Handys Videozusammenschnitte zu verschiedenen Arbeiten der Brigade anfertigen konnten.

Vorbemerkung und Einschätzung der Lage in Kuba

Die wirtschaftliche Lage in Kuba ist seit dem Beginn der Pandemie weit angespannter als in den Jahren zuvor und gekennzeichnet von Entbehrungen. Wichtige Produkte, wie Hygiene-Artikel (z.B. Toilettenpapier), Reinigungsmittel, viele Grundnahrungsmittel sowie auch Softdrinks, die Kuba teilweise selbst produziert, sind momentan Mangelware und selbst in den Devisen-Läden, in denen importierte Produkte nur mit ausländischer Währung gekauft werden können, oft schwer zu finden.

Die in den letzten Jahren beschlossenen Reformen haben zu zahlreichen Gründungen von Unternehmen und Kooperativen geführt. Das hat zum Beispiel ermöglicht, dass Bäuer*innen ihre Erzeugnisse direkt und viel effektiver verkaufen können und nicht erst an den Staat abführen müssen, der die Erzeugnisse dann weiterverteilt.

Die Pandemie hat jedoch zu einem starken Rückgang des Tourismus geführt und damit zu verstärktem Devisenmangel. Der Krieg in der Ukraine ließ nun auch noch den russischen Tourismus ausbleiben, welcher seit der Pandemie den größten Anteil an Besucher*innen hatte. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung führte bei gleichzeitiger Währungsreform und der Auszahlung höherer staatlicher Löhne zu einer Inflation. Die Nachfrage der Kubaner*innen nach Devisen, um importierte Produkte kaufen zu können, führte wiederum zu einem Schwarzmarkt. Der offizielle Wechselkurs, dem die Regierung mit 24 Pesos zu einem Dollar angab, wurde nicht vom Staat bedient, d.h. es konnten beim Staat nur Dollar in Pesos getauscht werden, aber Pesos nicht umgekehrt in Dollar. Auch wenn der Wechselkurs vor einigen Wochen an den Schwarzmarktkurs angeglichen, also die eigene Währung entwertet wurde, hat dies leider noch nicht den Schwarzmarktkurs nachhaltig ausgebremst und eine weiterhin starke Inflation ist bei den Preisen vieler frei gehandelter Güter bemerkbar.

Die beschlossenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie waren effektiv, haben aber ihr Übriges dazu beigetragen, dass die Wirtschaft stark zum erliegen kam. Es mussten zudem Gelder für die Herstellung von Impfstoffen und für die Impfkampagne verwendet werden. Der Devisenmangel und die hohen Energiepreise auf dem Weltmarkt führen nun zu zwei omnipräsenten Problemen in Kuba:


1. Die Stromversorgung. Auf der Sommerbrigade 2021 haben wir bereits immer wieder kurzzeitige Stromabschaltungen erlebt. Auf der Frühjahrs-Brigade 2022 wurden diese häufiger und auf der nun aktuellen Sommerbrigade mussten wir jeden Tag mit einer Stromsperre von mehreren Stunden rechnen. Nach dem Unfall in Matanzas, am 5. August 2022, bei dem durch einen Blitzeinschlag Millionen Liter Öl verbrannten und 40 % der Lagerkapazitäten vernichtet wurden, dauern die täglichen Sperren nun bis zu 12 Stunden.

2. Der Mangel an Diesel. Dieser drückt wiederum auf die Wirtschaftsleistung, da die Wirtschaft auf motorisierten Transport zwischen den Landesteilen und in der Landwirtschaft angewiesen ist.

Hin und wieder hören wir einen Vergleich dieser Lage mit der Spezialperiode in den 1990er Jahren, in welcher der solidarische Handel mit den sozialistischen Ländern Osteuropas und der Sowjetunion abrupt wegfiel und sich Kuba mit einer existenzbedrohenden Versorgungskrise konfrontiert sah.

Menschen, die diese Periode erlebt haben, versichern, dass die Lage sehr schwierig ist, aber nicht gleichermaßen gravierend wie in der Spezialperiode, vor allem nicht bzgl. der Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Gütern des täglichen Bedarfs. Die Situation hat jedoch zur stärksten Auswanderungswelle seit den 90er Jahren geführt. Die Ausreise erfolgt dabei größtenteils legal über Länder wie Nicaragua, die kein Visum für kubanische Staatsbürger*innen verlangen.

Womit sich Kubaner*innen tagtäglich beschäftigen müssen, hat natürlich auch Einfluss auf unsere Arbeit vor Ort. Bei Stromsperren mussten wir unsere geplanten Aufgaben oft umwidmen. Abends muss sich mit den Handys und Kerzen zurechtgefunden werden und der Verzicht auf die Klimaanlage oder den Ventilator, kann bei einer nächtlichen Außentemperatur von 26 C, einer Innentemperatur von fast 30 C und umher schwirrenden Moskitos für viele eine Herausforderung sein. Fiel der Strom mittags aus, musste das Essen auf Holzkohle zubereitet oder für den Morgenkaffee erst mal Holz gehackt werden. Neben dem Problem der unterbrochenen Kühlkette, verschlingt diese Planungsunsicherheit und der Mehraufwand die Zeit vieler Kubaner*innen.
Der Dieselmangel führte bei uns dazu, dass wir tagelang vergeblich versucht haben einen Transport zu organisieren, um Zement in einer anderen Stadt zu kaufen. Wir haben unseren Arbeitsplan eben danach ausrichten müssen, improvisiert und letztendlich Zement in Viñales selbst bekommen.

Trotz der Lage konnten wir bei den letzten drei Brigaden grundlegend dass erreichen, was die Genoss*innen vor Ort sich mit uns erdacht haben. Neben der flexiblen Anpassung an die Gegebenheiten mit A,B,C-Arbeitsoptionen, haben wir vor allem versucht alles notwendige Material mit Koffern nach Kuba zu transportieren. Zu den Werkzeugen, Farben, Arbeitskleidung, kamen dann noch Hygiene-Artikel wie Seife oder Duschgel dazu.

Dass wir trotz allem viel erreichen konnten, verdanken wir natürlich dem Engagement der Genoss*innen vor Ort, kubanischer Gruppen wie Nuestra América und Institutionen wie dem ICAP (kubanisches Völkerfreundschaftsinstitut). An dieser Stelle möchten wir uns auch bei allen bedanken, die bei der Vorbereitung der Brigaden in Deutschland mitgewirkt haben, bei unseren Genoss*innen aus dem Baskenland und natürlich bei unseren Spender*innen. Herzlichen Dank für die zahlreichen Sach- und Geldspenden, sie waren eine große unabdingbare Hilfe!

Von den Fortschritten, trotz der schwierigen Lage in Kuba, möchten wir euch nun berichten.

Beginn der Brigade – Vorbereitungen

Eine große Freude bei der Ankunft in Viñales, bereiteten uns die vielen Sport und Tanzkurse, die jetzt in dem errichteten Veranstaltungsort stattfinden.
Duzende Viñaler@s nutzen nun täglich die überdachten Tanzböden für Airobic- und Salsakurse oder trainieren an den Fitnessgeräten. Diese Viñaler@s halfen dann auch mit beim Nivellieren und Gießen des letzten Tanzbodens.
Als erste Tätigkeit besorgten wir Brigadist*innen Materialien zum Bau von Leinwänden, damit die beiden Muralistas, Valeria und Sergio, die sich mit ihrem Kind eine Woche später der Brigade anschlossen, Bilder malen konnten (immer wenn es gerade keine Möglichkeiten für die Realisierung von Wandbildern geben sollte). 60 Meter Stoff dafür haben wir in Koffern mitgebracht. Von befreundeten Zimmermännern konnten wir Holz kaufen und dieses für die Keilrahmen zuschneiden lassen.
Ein Allroundtüfftler half uns beim Kalken der Veranstaltungswände. Mit seiner selbstgebauten Druck-Farbpistole, gebaut aus Motorteilen eines Ladas und einer russischen Sägewerksmaschine, könnten wir schnell den Veranstaltungsort aufhellen.
Baskische Genoss*innen die zufällig auf die Brigade stießen, halfen mit bei der Pflanzung von Kaffeessträuchern auf dem Permakulturgrundstück.
Spannend war für uns zudem der Einblick in das kubanische Gesundheitssystem. Adriana und Tito erhielten einen Anruf, dass die Boosterimpfung beim Familienarzt bereit steht. Eine Uhrzeit wurde mit ihnen ausgemacht und die Impfung, mit dem eigenen, in Kuba entwickelten Impfstoff “Abdala”, dauerte fünf Minuten. Dieses Bürokratielose und schnelle Verfahren hat uns dann doch verblüfft.

Politische Tour

Vor allem für die Muralistas Sergio und Valeria wollten wir eine politische Tour anbieten, damit diese in den Kontext in Kuba eintauchen konnten. Wir trafen uns mit Vertreter*innen der Künstler*Innenvereinigung AHS (Asociación Hermanos Saíz) und besuchten mit diesen den Pavillon Cuba, wo große Ausstellungen und Kulturveranstaltungen in Havanna stattfinden. Neben dem Besuch emblematischer Orte wie dem Platz der Revolution und dem Malecón, unternahmen wir eine Stadttour mit dem Universitätsdozenten Karell Acosta, der uns die Wiege der Stadt Havanna zeigte. Anschließend haben wir angeregt über das Kooperativwesen in Kuba gesprochen, da er zu diesem Thema forscht.

Mit allen Brigadist*innen in Viñales

In unserem Gepäck haben wir zusätzlich zum Leinwandstoff noch Farbpigmente und sonstige Materialien transportiert, damit Valeria und Sergio die großen Murales malen konnten sowie die Leinwände, die als Geschenk für unsere Helfer*innen gedacht waren.
Die lokalen Künstler Antonio und Nivaldo halfen beim Beziehen der Keilrahmen und setzten sich dann mit uns und Genoss*innen der Partei zusammen, um die geplanten Murales inhaltlich abzusprechen. In Viñales-Stadt selbst konnten wir leider von den drei geplanten Murales nur eines realisieren, da der Denkmalschutz Einspruch erhob und die Bemalung der zugesicherten Wände im historischen Stadtzentrum längerer Genehmigungen bedurft hätten. Insgesamt konnten Valeria und Sergio auf der Brigade aber vier große Wandbilder realisieren.

Als erstes Mural wurde dann eine Wand der Partei im Ortseingang von Viñales gemalt. Die Genoss*innen baten uns den Leitspruch “Cultivando Revolución” darzustellen. Nach der Vorbereitung der Wand und zwei Tagen Arbeit war das Mural fertig. Es zeigt die charakteristische Landschaft des Tals von Viñales, eingefasst in ihren besonderen Felsen, den Mogotes und der Darstellung des Anbaus von Tabak, Mais und Yuka, den typischen Erzeugnissen der Region.

In San Juan y Martínez, einem Ort südlich in der Provinz Pinar del Río, entstand das zweite Mural zur Erinnerung an die Gebrüder Saiz. Die Gleichnamige Künstler*Innenvereinigung AHS lud uns ein, ein Wandbild in dessen Wirkungsstätte zu malen, anlässlich des 65. Jahrestages der Ermordung der beiden jugendlichen Aktivistinnen, die sich gegen die Batistadiktatue engagierten und sehr jung schon schriftstellerisch tätig waren. Dafür trafen sich Valeria und Sergio im Vorfeld mit mehreren Künstler*innen der Vereinigung und besprachen das Bild.

Das dritte Mural entstand in der nördlichen Hafenstadt Puerto Esperanza wo wir vom befreundeten Kulturprojekt “la Camorra” eingeladen wuren, ihr Vereinslokal mit zu gestalten. Die Kids und Aktivist*innen vor Ort malten mit und es entstand ein Triptychon, was die drei kulturellen Achsen des Projektes abbildet (Musik, Theater, Tanz).

Das vierte Mural erschufen wir im Projekt Ventana al Valle selbst. Valeria und Sergio bedienten sich dabei einer aufwendigen Technik, dem Sgraffito. Auf die große Wand direkt am überdachten Veranstaltungsort wurden nach und nach verschiedenfarbige Kalk-Zementschichten aufgetragen. Anschließend wurde die Wand eingeritzt und je nach Tiefe der Kerbung kam eine andere Farbe zum Vorschein. So entstand auch hier ein Triptychon mit den Achsen des Projektes (Nachaltige Landwirtschaft, Kulturarbeit und internationalistischer Austausch).

Abschluss der Brigade

Zum Ende der Brigade konnten wir in Viñales selbst Zement finden und haben dann den letzten Fußboden sowie zwei Treppen zu den Bühnen gegoßen. Auch der Veranstaltungsort ist nun mit Showlichtern ausgestattet. Von der Licht-und Audiokabine lassen sich nun die Tanzfläche und die Bühne beleuchten. In Deutschland wurden mit Spendengeldern ein Mischpult, LED-Lichter, eine Diskokubel und DMX-Kabel gekauft und sind nun im Einsatz!

Ausblick

Seit dem wir wieder in Berlin sind, gab es einige Entwicklungen im Projekt. Die Brigadeunterkunft wurde nun auch mit einem Boden ausgestattet, die Türen und Fenster sind geliefert worden. Im September zog der Tropensturm „Ián“ durch die Provinz Pinar del Río mit großen Schäden für Wohnhäuser, Infrastruktur und die Landwirtschaft. Im oberen Teil des Permakulturgrundstücks kam es auch zu Schäden. Im Projekt selbst wurde ein Baum entwurzelt und eine Stützsäule des Veranstaltungsortes durch die Schwingungen des Daches während des Sturms beschädigt. Die Regierung hat hierfür, wie für alle betroffenen Gebiete, Reparaturmaterialien bereitgestellt.
Im Veranstaltungsort werden nun zusätzlich zu den Tanz- und Fitnessworkshops, Ernährungskurse abgehalten. Es gibt eine offizielle Zusammenarbeit mit dem INDER (kubanisches Sport und Erholungsministerium) die Seniorensportkurse vor Ort anbieten. Die Räumlichkeiten werden nun auch zur Betreuung und für Aktivitäten mit Vorschüler*innen genutzt.
Wir machen weiter und sind solidarisch mit dem kubanischen Gesellschaftsversuch und ihren Menschen. Die nächste Brigade ist in Planung! Ihr hört von uns im nächsten Aufruf für die Brigade im Frühling 2023 (15. März – 15. April).

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