Brigade Alina Sánchez: Praxis mit Theorie verbinden
Die Bepflanzung des terreno (Permakultur-Grundstück), der Weiterbau an der Brigadeunterkunft und die Bibliothek standen diese Woche auf unserem Plan!
Während an der Brigadeunterkunft vom Maurer Hanoi der Feinputz aufgetragen wurde, haben wir die Zeit genutzt, um die Renovierung der Bibliothek vorzubereiten. Dazu haben wir zunächst die Bücher gesäubert, kategorisiert und schließlich in Kartons verpackt. Die Bücherregale der Bibliothek werden nun für die Werkstatt genutzt, um eine bessere Ordnung der Werkzeuge und Materialen zu gewährleisten.
Auf dem terreno haben wir begonnen, eine Rankhilfen-Konstruktion für die Maracuja-Pflanzen zu bauen, damit sich diese nicht nur hochranken, sondern bald auch anderen Pflanzen Schatten spenden können. Dafür wurden auf dem terreno einige Bäume mit der Machete geschlagen und zu Pfosten und Bögen weiterverarbeitet. Die Maracuja-Setzlinge wurden an die Pfosten gepflanzt und schlängeln sich jetzt in Richtung der Bögen hoch. Außerdem wurden Bohnen entlang des Zaunes gepflanzt, die in Vorbereitung der Regenzeit schon kleinere, stabile Pflänzchen entwickeln werden. Um einen besseren Überblick über die bisher gepflanzten Bäume und Sträucher zu gewinnen, haben wir einen Plan erstellt, auf dem diese eingezeichnet sind. Schilder aus upgecycleten Dosen wurden beschriftet und an den Pflanzen eingesetzt.
Wir hatten darüber hinaus die Möglichkeit mit einem erfahrenen Agrarwissenschaftler die Charakteristika der tropischen Region kennenzulernen und das terreno mit ihm gemeinsam zu begehen. Profesor Lazaro hat uns nicht nur einen Überblick über die klimatischen Bedingungen in dem Gebiet zwischen der Sierra de los Órganos und der Sierra de Rosario gegeben, sondern auch einen kleinen Einblick in die Entwicklung der Landwirtschaft seit der Revolution. Das neu erlernte Wissen über die Ansprüche der roten, eisenhaltigen Erde wird uns helfen das Wachsen der Pflanzen und die Lebensräume der Insekten und Vögel besser verstehen zu können. Ein interessanten Exkurs bot er uns zum Thema Reisanbau. Auch wenn Reis auf der täglichen Speisekarte der Kubaner*innen steht, ist es auf Kuba tatsächlich recht schwer, diesen anzubauen, da er nicht nur viel Wasser, sondern auch eine bestimmte Neigung des Bodens benötigt. Wirft man einen Blick auf die Kolonialgeschichte Kubas, lässt sich die heutige Produktion einzelner Lebensmittel wie Reis erklären: Kuba wurde während der Kolonialherrschaft Spaniens als Handelsknotenpunkt genutzt. So lässt sich die Konzentration von Import bestimmter Lebensmittel historisch erklären.
Wir bekamen in der letzten Woche außerdem Besuch von der Gruppe Nuestra America, mit denen wir am Sonntag einen Großeinsatz auf dem terreno gemeistert haben. Es ist beeindruckend, was viele Hände in kurzer Zeit schaffen: Innerhalb eines Vormittags haben wir eine große Fläche entmüllt, von Unkraut befreit und für die Anzucht neuer Pflanzen vorbereitet. Die Gruppe Nuestra America ist eine sozialistische Gruppe, die ihren Blick nach ganz Lateinamerika richtet und revolutionäre Kämpfe von dort nach Kuba trägt. Sie teilen das sozialistische Ziel des kubanischen Staats, legen den Fokus ihrer Arbeit jedoch auf einen Sozialismus von unten, indem sie Basisarbeit in den Barrios (Vierteln) betreiben und junge Menschen politisieren. Inspiriert von der lateinamerikanischen Befreiungstheorie sowie der Landlosenbewegung in Brasilien, vertreten sie einen internationalistischen Ansatz, der Ausbeutung und Unterdrückung zusammendenkt. Neben der Arbeit in den Barrios betreiben sie Bildungsarbeit, die das Ziel verfolgt, ein Geschichtsbewusstsein in der Gesellschaft zu verankern. Jedes Jahr organisieren sie außerdem mehrere Bildungsschulen mit Internationalist:innen auf Kuba Rund um Themen wie sozialistische politische Theorie und marxistischer Feminismus. Ein für uns neuartiger und faszinierender Ansatz der Gruppe ist ihr Verständnis revolutionärer Mystik. Aus der Analyse heraus, dass nicht nur Theorie und Praxis in ein angemessenes Verhältnis gesetzt werden müssen, sondern auch Verstand mit Körper, in dem die Unterdrückung stattfindet, bedienen sie sich verschiedener Methoden, die den zwischenmenschlichen Zusammenhalt fördern. Es war eine große Bereicherung diesen Ansatz mit ihnen teilen zu dürfen. Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle auch, dass wir den Samstag genutzt haben, um das Projekt und die Brigade nach außen zu öffnen, weshalb wir mit unseren Freund:innen von Nuestra America und der Nachbarschaft aus Vinales einen kleinen Menstruationstassen-Workshop mit anschliessendem Spielabend veranstalteten.
In der letzten Woche haben wir darüber hinaus die Schule Frederico Engels, das Gesundheitsministerium und die fabríca verde (Apotheke für Naturheilkunde) in Pinar del Rio besucht. Die verschiedenen Besuche wurden vom kubanischen Institut für Völkerfreundschaft (ICAP) für uns organisiert. Durch diese Besuche konnten wir einen Einblick in das Bildungs- und Gesundheitssystem gewinnen. Kuba ist das einzige lateinamerikanische Land, welches 5 Impfstoffe selbst entwickelt hat. Durch eine frühzeitige Eindämmung und strategische Impfkampagne konnte die Pandemie weitestgehend eingedämmt werden. Dazu hat vor allem beigetragen, dass über 90 Prozent der Kubaner:innen vollständig geimpft und ein Großteil sogar geboostert ist. Seit Beginn der Pandemie hat Kuba Solidarität gezeigt, indem es medizinische Brigaden in die jeweiligen Provinzen des Landes, aber darüber hinaus auch in Länder des globalen Südens und nach Europa geschickt hat. Nächste Woche werden wir weitere Ort besichtigen, um ein besseres Gefühl für die staatlichen Strukturen und die Organisierung der gesellschaftlichen Tätigkeiten zu bekommen.