Trabajador@s unid@s- 2. Bericht der Brigade “Juan Goytisolo”
Der Kampf der 22 geht weiter
Am 9.3. versammelten wir uns mit den Arbeiter*innen von “AgrupaEjido”, die wir schon in der letzten März-Brigade kennen gelernt [Bericht März 2017] und damals bei ihrem ersten Erfolg gegen das Unternehmen unterstützt hatten. Insgesamt waren 22 Arbeiter*innen ohne ersichtliche Gründe entlassen worden, außer, dass sie die Missstände im Betrieb denunziert, ihre Rechte eingefordert und sich gemeinsam mit der SOC-SAT gewerkschaftlich organisiert hatten. Während einige Arbeiter*innen inzwischen Abfindungen mit dem Unternehmen ausgehandelt haben, warten die meisten noch auf die Gerichtsverfahren, die bis Januar 2019 stattfinden sollen. Es ist offensichtlich, dass die Arbeiter*innen nicht so lange auf eine Lösung warten können. Erneut haben wir es mit einer Taktik des Unternehmen zu tun, die Arbeiter*innen loszuwerden, die sichere Verträge haben, um sie durch prekär Beschäftigte zu ersetzen.
In der Versammlung äußerten die Arbeiter*innen ihre Sorgen und es wurde über eine mögliche Strategie diskutiert. Es wurde entschieden, die darauf folgende Woche erneut eine Acción Sindical vor dem Unternehmen zu veranstalten und das Gespräch zu suchen, auch die Forderung der Arbeiter*innen nach den konkreten Abfindungen genau festzulegen und sie dem Unternehmen vorzuschlagen.
Aber als wir einige Tage später in der Zentrale von AgrupaEjido das Gespräch mit den Verantwortlichen suchten, wurden wir weggeschickt, weil niemand anwesend war, der oder die mit uns reden wollte. Also demonstrierten wir vor dem Firmensitz und der Abpackhalle und informierten die Arbeiter*innen über die Missstände, die ihre Kolleg*innen erleiden. Anschließend fuhren wir zum Auktionshaus, wo sich die Betriebsleiter gerade aufhielten. Da auch hier niemand bereit für ein Gespräch mit den Arbeiter*innen war, sondern sofort zum Telefon gegriffen wurde, um die Guardia Civil zu rufen, war die Aktion für uns abgeschlossen. Insgesamt war sie erfolgreich, weil wir Präsenz zeigten und den Kampf aufrecht erhielten, obwohl einige der betroffenen Mitarbeiter*innen nicht teilnehmen konnten und trotz der mangelnden Bereitschaft des Unternehmens für ein Gespräch.
Fall EUROSOL: „Nos tocan a un@, nos tocan a tod@s“
Die Marcha von Vícar der “EUROSOL”-Arbeiter*innen vom 2.3. [erster Bericht] wurde trotz heftigem winterlichen Mittelmeerregen ein großer Erfolg, jedoch blieben die Forderungen der Arbeiter*innen nicht nur ungehört, sondern trafen auf die Drohungen der Chefin. Für die Beschäftigten war klar: La lucha sigue. (Der Kampf geht weiter.)
Mit der Energie der Marcha gingen wir die Woche darauf auf Acción Sindical, diesmal vor der Abpackhalle des Unternehmens. Einige Arbeiter*innen zeigten Verständnis für die Situation ihrer Kolleg*innen aus den Gewächshäusern, andere ignorierten die Aktion, wollten nicht die Infobroschüren annehmen, als würde es sie gar nichts angehen. Sie waren nicht bereit sich mit ihren Kollegen zu solidarisieren, vielleicht aus Angst ihr eigener Arbeitsplatz könnte dadurch gefährdet werden.
Aber nach den intensiven Kampftagen mussten wir uns alle eine – zwar bescheidene, aber gewiss verdiente – Pause gönnen, um uns zu erholen, uns besser kennen zu lernen und unsere Kräfte zu sammeln. Deshalb trafen wir uns zusammen am Wochenende, gemeinsam mit den Arbeiter*innen aus “EUROSOL” und manchen der Gewerkschafter*innen, auf ein Abendessen. Jede Teilnehmer*in brachte etwas zu essen oder zu trinken mit, wir durften leckere Spezialitäten aus Rumänien, der Ukraine, Litauen, Lettland, Peru oder Ecuador kosten. Beim Essen konnten wir uns informeller austauschen, Vertrauen aufbauen und das Gemeinschaftsgefühl stärken. Schließlich wurde etwas getanzt und wir ließen entspannt den Abend ausklingen.
In den darauf folgenden Tagen mussten wir allerdings feststellen, dass “EUROSOL” beabsichtigte den Konflikt zuzuspitzen. Die Leitung lud den Vorsitzenden des Streikkomitees und einen weiteren gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter zu einem Treffen am 16. März ein. Man ließ sie über eine halbe Stunde warten; erst dann ließen sich Anwalt und Chefin blicken, um den beiden kühl die fristlose Kündigung vorzulegen. Der Vorwand: Fehlverhalten beim Warnstreik, doch es ist kein Geheimnis, dass das Unternehmen nur nach Gründen sucht, um die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter der Reihe nach rauszuekeln und auszutauschen. Da wir ähnliches schon vermutet hatten, begleiteten wir die zwei Arbeiter und fanden uns sofort nach der Entlassung vor dem Eingang von “EUROSOL” ein. Wir demonstrierten laut und riefen die Belegschaft vor Ort zur Teilnahme auf. Hinter den Parkplatzgittern, aus der Distanz belächelt von unseren Widersachern.
Am darauf folgenden Montag fand eine Versammlung der gewerkschaftlichen Sektion des Betriebes statt. Es wurde eine Demo geplant und eine Fotoaktion für die Verbreitung des Falles in Social Media gemacht. Man konnte sie förmlich in der Luft spüren: die Solidarität der Genoss*innen mit den ungerecht behandelten Arbeitern.
Das Kündigungsverfahren soll nun vor Gericht gebracht werden, da es sich wahrscheinlich um rechtswidrige Entlassungen handelt. Allerdings gewinnt so das Unternehmen Zeit. Für die zwei Arbeiter* ist die Situation etwas heikler, müssen sie doch für ihre Familien sorgen. Wie zu Beginn lautet die Schlussfolgerung dennoch: La lucha sigue.
Nachbarschaftsaktion Wandbilder
Nun ist es so weit, wir sind mittendrin im gemeinsamen Bemalen der Wände des Barrio El Puche. Das Konzept hat sich selbst aus den Ideen und Vorschlägen von den Einwohner*innen gebildet, insbesondere der Kinder. Es tauchen also Motive des gemeinsamen Lebens im Barrio, auch die Wünsche auf Veränderung und die Aufforderungen der organisierten Nachbar*innen auf: saubere und beleuchtete Straßen, öffentliche Verkehrsverbindungen, lebenswürdige Wohnungen, keine weiteren Zwangsräumungen, Grünflächen und angemessene Lebensräume für Kinder und Jugendliche.
Am ersten Tag wurden die Bilder auf den Wänden vorgezeichnet und gemeinsam mit der Nachbarschaft begannen wir sie zu füllen. Wir fingen mit dem Slogan „Stop Desahucios“ (Stop die Räumungen) an, den wir bereits am selben Tag fertig stellten, weil sich so viele Kinder engagierten. Dann öffnete eine Genossin, die im Barrio wohnt und bei der Gewerkschaft arbeitet, ihren Kiosk am Platz und lud zu warmem, süßem Tee und arabischem Brot ein.
Am nächsten Tag kam die gesamte Brigade zum Platz. Während die einen gemeinsam weiter am Mural malten und sprühten, unterstützten die anderen die Kinder bei der Vorbereitung von Plakaten für die kommende Demo der Vecin@s (Nachbar*innen) am 24.03. Dabei soll gegen die Räumungen und die systematische Marginalisierung des Viertels, die seitens der Stadtverwaltung und der Zentralregierung sowie öffentlicher Medien, betrieben wird, protestiert werden. Unter dem sanften Sonnenschein entwickelte sich eine entspannte Atmosphäre; es lief laute Musik und es kam zu netten, aber auch interessanten Gesprächen mit den Leuten. Ein Nachbar, der sich „Cashete“ nennt, erzählte uns seine Erlebnisse als kommunistischer Kämpfer in den 70er Jahren in Almería. Genauso spannend war der Austausch mit den Kindern, ihre Perspektive auf die Umstände. Denn: Wo richtet sich ihre Aufmerksamkeit hin und was beschäftigt sie? Was sind ihre Wünsche für das Leben in El Puche? Was wollen sie auf den Bildern ausdrücken, was auf die Wände malen?
Cerro Libertá: Trabajador@s unid@s
Am 1. April 2017, besetzte die SOC-SAT, gemeinsam mit anderen Kollektiven, darunter einige Mitglieder unserer Brigade “Berta Cáceres”, ein verlassenes Landgut in der Nähe von Jaén. Das Landgut gehört der Bank “BBVA”, welche die Finca und die zugehörigen 75ha Land brach liegen und verfallen lies. Nicht nur weil ein Gesetz vorsieht, dass ein Land, das 2 Jahre verlassen ist, von der “Junta de Andalucía” enteignet werden kann, sondern umso mehr, weil Jaén eines der Gebiete der EU mit der höchsten Arbeitslosigkeit ist, ist es notwendig, dass sich die Leute dieses Land zurückholen und kollektiv bewirtschaften. Die Besetzung wurde als Protestaktion in Solidarität mit dem Aktivisten Andrés Bódalo veranstaltet, der 18 Monate in Haft war, ohne dass es Beweise für seine Schuld gab. [Bericht März 2017]
Inzwischen hat sich ein vielversprechendes Projekt entwickelt. Der Cerro versteht sich als ein offener, okkupierter Raum und zeichnet sich vor allem durch die politische Meinungsvielfalt aus. Es treffen aber nicht nur verschiedene politische Herangehensweisen aufeinander, sondern ebenfalls politische Erfahrungen und Erkenntnisse, aus Gewerkschaft, politischer Kultur und Bewegungen Andalucías. Haus und Land werden von Bewohner*innen und engagierten Freiwilligen wiederaufgebaut. Ein Teil der Olivenbäume wird gepflegt, geerntet und zu Olivenöl verarbeitet. Bisher reichen die Erzeugnisse für den Eigenbedarf und ein Teil wird für einen Solipreis an Sympathisant*innen verkauft. [link]
Am 16.3. sind wir zum Cerro gefahren, weil die “BBVA” eine Räumungsklage erhoben hatte und der Cerro am 19.3. geräumt werden sollte. Lediglich drei Tage vor der Räumung wurde den Bewohner*innen mitgeteilt, dass die Räumung auf den 2.4. verschoben wird. Es war offensichtlich, dass dies eine Taktik ist, um die Mobilisierung, die bis dahin stark war, zu schwächen. Trotz alledem liefen am Sonntag 500 Menschen, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen, die sechs Kilometer vom Gebäude der “BBVA” im Zentrum Jaéns bis zum Cerro. Hier endete die Marcha mit einem Essen und einem regen Austausch unter dem Teilnehmenden. Als schließlich die Sonne hinter den Hügeln Jaéns unterging, verließen wir den Cerro und kehrten zurück nach Almería. Einige von uns werden jedoch zum Tag der Räumung zurückkehren.
Auf dem Cerro werden die Widersprüche, die in Andalucía geläufig sind, fassbar: eine Bank, die unbearbeitete Länder besitzt, während 20% der Bevölkerung arbeitslos ist. Wir kehren vom Cerro zurück mit großen Fragen im Bauch über unsere Lebensweise, wie wir leben sollten, und wie wir leben könnten. Es sind Fragen an eine Welt, in der prekäre Arbeits- und Ausbeutungszustände sowie ökonomische Ungleichheiten verdrängt, oder gar zum Normalzustand erklärt werden. Eine Welt in der wir uns es nicht gemütlich machen möchten.