Tierra y Libertad – 1. Bericht der Brigade “Somos Naqaba”
Diesmal kommt der erste Bericht gleich zu Beginn der Brigade. Während sich ein Teil des Trupps der Somos-Naqaba-Brigade die Woche über noch in Berlin auf die Zeit in Almería vorbereitet hatte, haben sich einige Genoss*innen schon einmal auf den Weg gemacht und haben vier Tage in der Nähe von Jaén verbracht, wo unsere Kooperationspartnerin, die Landarbeiter*innen-gewerkschaft SOC-SAT, ebenfalls sehr aktiv ist.
Cerro Libertad: Fünf Monate nach der Besetzung
Am Ende unserer letzten Brigade „Berta Cáceres“ reisten wir mit Gewerkschafter*innen der SOC-SAT von Almería ins etwa zweihundert Kilometer nördlich gelegene Jaén, um uns an der Besetzung einer Finca zu beteiligen. Das 70 Hektar große Areal liegt seit sechs Jahren brach und gehört seit der Krise der spanischen Bank BBVA. Gleichzeitig liegt die Arbeitslosenquote in der landwirtschaftlich geprägten Region bei etwa 40 Prozent. Aus Wut über diese Umstände entschied sich die lokale Sektion der SOC-SAT die Finca zu besetzen, sie wieder instand zu setzen und aus ihr ein Ort nachhaltiger Landwirtschaft, solidarischen Miteinanders und des politisches Lernens zu machen. In diesem Sinne tauften sie die Finca Cerro Libertad. Hügel der Freiheit.
Nun sind wir fünf Monate später zurückgekehrt und haben den Ort kaum wiedererkannt. Wo am Tag der Besetzung das Unkraut wucherte, die Olivenhaine auf dem nicht bewirtschafteten Boden verwahrlosten und das Haupthaus zu einer Ruine zerfiel, arbeiteten nun Menschen allen Alters, um dem Land wieder Leben einzuhauchen.
Neben mehrerer kleinen Gemüse- und Kräutergärten haben die Genoss*innen der SOC-SAT einen Schweine- sowie eine Hühnerstall gebaut. Das große Haus wird Schritt für Schritt wieder aufgebaut und bietet nun schon Schlafmöglichkeiten für etwa 30 Personen und wird in den nächsten Wochen winterfest gemacht. Außerdem haben sich die Besetzer*innen auf die anstehende Olivenernte vorbereitet und hoffen schon dieses Jahr eine kleine Ernte einfahren zu können, obwohl es Jahre dauern wird bis die Finca wieder vollständig bewirtschaftet werden kann.
Solidaritätskundgebung für und mit dem politischen Gefangenen Andrés Bolado
Die Repression gegen gewerkschaftliche Organisierung und linke Gruppen prägt das politische Klima Spaniens und Andalusiens. Immer wieder sieht sich die SOC-SAT staatlichen Angriffen und Diffamierungskampagnen durch Medien ausgesetzt. So sitzt der Genosse Andrés Bolado der SOC-SAT nunmehr einem Jahr und fünf Monaten im Gefängnis von Jaén. Unter konstruierten Vorwürfen der Körperverletzung gegen einen Vertreter der sozialdemokratischen Partei Spaniens (PSOE) wurde er zu drei Jahren Haft verurteilt, obwohl Videoaufnahmen und Zeugenaussagen seine Unschuld belegen.
Für das letzte Wochenende wurde ihm Freigang genehmigt und er konnte dem tristen Gefängnisalltag für ein paar Tage entfliehen und Zeit mit seiner Familie und seinen Freund*innen verbringen. Um fünf Uhr nachmittags fanden sich etwa 100 Personen vor dem Gefängnis von Jaén ein, um Andrés zu unterstützen und ihre Solidarität gegen die Repression des spanischen Staates und der andalusischen Regionalregierung zu zeigen. Immer wieder riefen sie: „Andrés Libertad!“ (Freiheit für Andrés!). Für lange Zeit blieben die Leute stehen und diskutierten, unter anderem mit dem Podemos-Abgeordneten und langjährigen SOC-SAT Gewerkschafter Diego Cañamero und dem Sprecher der SOC-SAT, Oscar Reina.
Politische Schulung‚ Pensando La Tierra, Construyendo País‘
Freitagabend begann auf dem Cerro Libertad die Gewerkschaftsschule‚ Pensando La Tierra, Construyendo País‘ (Über die Erde nachdenkend das Land aufbauen). Durch die Organisation dieser Bildungsveranstaltung sollte untermauert werden, dass Cerro Libertad auch als Ort radikalen Denkens und der politischen Bildung dienen soll. Im Laufe der nächsten zwei Tage gab es im Gemeinschaftsraum des Haupthauses Arbeitsrechtsworkshops, Buchvorstellungen, Podiums-diskussionen zur Rolle der Frau in den Landarbeiter*innengewerkschaften. Zudem halfen alle Anwesenden durch einen koordinierten Arbeitseinsatz beim Wiederaufbau der Finca mit. Dazwischen wurde gemeinsam gekocht, diskutiert und natürlich auch gelacht und getanzt.
Hasta la próxima!
Wir hoffen sehr, dass die wundervolle Energie des Cerro Libertad und unserer Genoss*innen ungebrochen bleibt und sie sich der stets drohenden Räumung widersetzen können. Wir werden weiter alles tun, um praktische Solidarität von Berlin aus zu üben und das Projekt über die Grenzen Andalusiens hinaus bekannter zu machen. Und natürlich schauen wir mit unserer nächsten Brigade im März 2018 wieder vorbei. Bis zum nächsten Mal – la lucha sigue!
Ankunft in Almería und weitere Pläne
Mittlerweile sind wir in Almería angekommen, haben unser Quartier im Büro der SOC-SAT aufgeschlagen und mit unserer Arbeit begonnen.
In den nächsten Tagen werden wir vor allem ein Team der ARD aus München unterstützen, das eine Dokumentation für das Format „Die Story im Ersten“ dreht, die sich mit den Lebens- und Arbeitsbedingungen von Arbeiter*innen in Almería beschäftigt und die Lieferketten sowie den Preisdruck der großen europäischen Konzerne näher beleuchten will. Wir freuen uns sehr über die Möglichkeit dadurch dazu beitragen zu können, die miserablen Konditionen in Deutschland bekannter zu machen (dem wichtigsten Verbraucherland für südspanisches Gemüse) und die für den notwendigen Wandel nötige Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Daneben bereiten wir mit den Genoss*innen vor Ort eine Herbstkampagne der SOC-SAT vor, die vor allem migrantische Arbeiter*innen dazu anregen soll, sich zu organisieren und sich gemeinsam mit der SOC-SAT der Ausbeutung und dem Rassismus entgegenzustellen und vereint für ihre Rechte zu kämpfen.
La tierra es de quien la trabaja!
Hasta la victoria siembre!
Euer Interbrigadas-Team
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1. Somos Naqaba ist eine Mischung aus Spanisch und Arabisch, die so viel bedeutet wie ‘Wir sind die Gewerkschaft’. Mit ihr stellen sich Gewerkschafter*innen migrantischen Arbeiter*innen vor.