2. Brigadebericht Lucia Sanchez Saornil – strategische Konkretisierung und Umsetzung der Brigadeziele

24. Oktober 2023|Berichte, Brigaden

Strategiediskussion

Um mögliche Strategien zum Erreichen der Brigdeziele zu diskutieren und zu konkretisieren, hat eine Strategiediskussion statt gefunden. Zunächst wurden noch einmal die Brigadeziele u.a. der feministischen Perspektive, des Schaffens materieller und immaterieller Räume, der migrantischen Selbstorganisierung und der Vernetzung mit anderen politischen Akteuer*innen diskutiert. Durch den Austausch über die Ziele kamen auch weitere Fragen auf: Welche Kriterien werden benötigt, um die gesteckten Ziele zu erreichen? Was versteht die Brigade und Interbrigadas unter migrantischer Selbstorganisierung? Welche Schwerpunkte wollen wir in den nächsten Wochen legen?

Als Resultat der Diskussion haben sich zwei Arbeitsgruppen herausgebildet: Eine Gruppe konzentrierte sich auf das Schaffen von Räumen für feministische und migrantische Organisierung. Dafür soll das Sat Lokal in San Isidro renoviert werden, um dort einen Ort des politischen Austauschs zu schaffen. Die zweite Arbeitsgruppe begann die Koordinierung einer Delegationsreise von Arbeiter*innen aus Almería nach Deutschland.

Gestaltung des Sat Lokals in San Isidro de Nijar

Um die Strategie des Schaffens materieller und immaterieller Räume zu realisieren, standen zunächst Renovierungsarbeiten in dem Lokal der SAT in San Isidro an. Aufgrund der Lage in San Isidro und der Größe des Raums hat dieser großes Potenzial für einen Ort des Austauschs zwischen Arbeiter*innen sowie zwischen Deligierten verschieder Betriebe. Arbeiter*innen, mit denen wir über die Möglichkeiten der Raumnutzung gesprochen haben, schlugen vor sich dort zu treffen, zu kochen und sich auszutauschen. Bevor wir mit den Renovierungsarbeiten begangen, hat sich eine FLINTA*-Gruppe der Brigade mit den Delagadas des Betriebs Campojeuyma getroffen, um über weitere Möglichkeiten der Gestaltung und der Nutzung des Raums zu sprechen. Sie emfpanden den Raum als einen geeigneten Ort, um dort ihre horas sindicales (den Deligierten stehen 15-40 Stunden im Monat für die Gewerkschaftsarbeit von Seiten des Betriebes zu) zur Vernetzung und zum Austausch zu verbringen. Sie schlugen eine Renovierung der Wände vor, sowie die Möglichkeit zum Kaffee und Tee trinken. Auch erzählten sie uns viel über die aktuelle Situation innerhalb ihres Betriebes, nichtausgezahlte Stunden und Repressionen durch die Unternehmensleitung.

Als erstes putzten wir das Lokal und verschafften uns einen Überblick, welche Gegenstände noch gebraucht werden könnten, welche repariert werden müssen und was in dem Raum noch fehlt. Außen haben wir die Fassade neu verputzt, gestrichen und bemalt. Das Design hatten wir uns vorher zusammen mit Arbeiter*innen überlegt. Im Innenraum haben wir eine Theke zur Abgrenzung der Küche gebaut, die Wände renoviert, die Küche wieder nutzbar gemacht etc.

Planung einer Delegationsreise nach Deutschland

In der zweiten Arbeitsgruppe, die sich aus der Strategiediskussion herausbildete, wurden zeitgleich einige Grundpfeiler einer Delegationsreise festgehalten.

Neben der Gewinnung von Arbeiter*innen vor Ort, muss einiges an logistischen Hürden überwunden werden, um eine solche Delegationsreise durchzuführen.

Von Anfang an wurden auch die Ziele einer etwaigen Delegationsreise herausgestellt. Der internationalistische Anspruch den antikapitalistischen Kampf entlang der Lieferketten zu Vernetzen ist dabei das große Ziel, was in der Gesamtheit verfolgt wird. Konkret kann durch die Delegation einzelner Arbeiter*innen aus Almeria, Druck auf die einzelnen Betriebe in Almeria ausgeübt werden, in dem den Arbeiter*innen weitere Machtressourcen an die Hand gegeben werden, in Form von Kontakten und Kolleg*innen entlang der Lieferkette bis nach Deutschland. Durch die Solidarisierung von Arbeiter*innen entlang dieser Lieferkette kann so, neben der Gewinnung von Machtressourcen auch eine persönliche Bindung zwischen den Arbeiter*innen entlang der Lieferkette entstehen, die als konkretes Ziel an sich feststeht.

Die politische Ausrichtung der Delegation soll sich dabei nicht nur um gewerkschaftliche Positionen der SAT kreisen, vielmehr soll durch die Einbeziehung weiterer Gruppen wie zum Beispiel den Jornaleras en lucha in Huelva, mit einer konkreten feministischen Perspektive, nicht nur der Personenkreis erweitert werden, sondern auch eine Delegation konkrete Probleme in den Fokus nehmen können, die durch feministische Kämpfe eingebracht werden.

Für Interbrigadas tut sich damit ein langfristiges Projekt auf, dessen Umsetzung in erster Linie von der Bereitwilligkeit der einzelnen Arbeiter*innen abhängt, sich einer Delegationsreise anzuschließen und nicht ganz zuletzt an der Finanzierung, die durch Stiftungen und Spenden gestemmt werden soll.

Während der Brigade haben Brigadist*innen durch Ansprache versucht erste Eindrücke bei Arbeiter*innen zu sammeln und zu hinterlassen. Gerade bei Arbeiter*innen die im Rahmen gewerkschaftlicher Kämpfe schon Reisen machen konnten, konnte die Begeisterung leicht entfacht werden. So zum Beispiel (Ex-)Delegadas von Biosol und Eurosol. Sorgen um die eigenen Familien während einer Delegation kamen in der Ansprache schnell auf. Die Frage der Reisefähigkeit muss in der Planung weiter gelöst werden.

Das Team rund um die Delegationsreise verfolgt weiter das Ziel, Arbeiter*innen aus Almeria für die Delegation zu gewinnen.

Ausflug nach Granada

Aufgrund des Granada-Gipfels über strategische Autonomie und politische Ziele der Europäischen Kommission (https://germany.representation.ec.europa.eu/news/zum-granada-gipfel-kommission-uber-strategische-autonomie-und-politische-ziele-2023-09-27_de) hat die SAT Granada am 29. September 2023 ein Kolloquium über die Politik der Europäischen Union veranstaltet (https://satgranada.org/2023/09/18/la-union-europea-contra-los-trabajadores-charla-29-de-septiembre/). Eine Arbeitsrechtsanwältin, sowie der Gewerkschaftssekretär der SAT in Granada sprachen über die Auswirkungen der Wirtschaftspolitik der EU auf die Arbeiter*innenklasse in Andalusien. Auch der Film “Frutos de Resistencia” wurde dort den versammelten SAT Mitgliedern und Sympathisant*innen gezeigt.

Filmvorführung in San Isidro

Nachdem der Film “Frutos de Resistencia” bereits in dem Viertel Almerías El Puche gezeigt wurde, sollte die Dokumentation der Arbeitskämpfe auch in dem Stadtteil San Isidro der Gemeinde Nijar gezeigt werden. Dort hat die SAT ebenfalls ein Gewerkschaftslokal in dem regelmäßig Beratungen von Arbeiter*innen, Spanischkurse und Treffen mit Deligierten verschiedener Betriebe statt finden. Daher ist die SAT auch in San Isidro sehr präsent und bekannt, da dort viele Arbeiter*innen leben.

So fand die Filmvorführung am 01. Oktober 2023 auf einem Platz in San Isidro statt, wo sich viele Menschen treffen, um beisammen zu sitzen und sich auszutauschen. Bevor der Film begann, wurde kurz der Hintergrund der Dokumentation und der Arbeitskämpfe eingeordnet, sowie die Arbeit Intebrigadas vorgestellt.

Einige Menschen setzten sich auf den Platz, um den Film gespannt zu schauen. Auch vorbei gehende Personen blieben stehen und schauten eine Weile zu. Von zwei verschiedenen Unternehmen kamen auch Delegadxs aus zwei unterschiedlichen Betrieben, um sich die Arbeit von Interbrigadas und des Filmteams anzuschauen. Auch dieses Mal schloss sich ein interessanter Austausch zwischen Arbeiter*innen, Zuschauer*innen und Interbrigadas an den an den Film an. Es wurden auch kontroverse Stimmen laut, die zeigten, dass auch innerhalb der Arbeiter*innenschaft eine Spaltung vorhanden ist: Die Sitaution von Arbeiter*innen in der Logistik oder in den Abpackhallen unterscheide sich stark von der Situation von Arbeiter*innen auf den Plantagen oder in Gewächshäusern.

Kritik an patriarchalen Dynamiken

Die an der Brigade teilnehmenden FLINTA* haben in der ersten Oktoberwoche eine gemeinschaftliche Kritik an patriarchalen Dynamiken formuliert und auch verschriftlicht. Die Kritik richtet sich dabei explizit an die zu dem Zeitpunkt auf der Brigade befindlichen (cis) Männer.

Hieraus folgt nun eine weitergehende Auseinandersetzung der Brigadist*innen mit der Kritik. Sowohl in einer FLINTA* Gruppe, als auch einer Gruppe aus (cis)Männern wird sich weiterführend zu der Kritik ausgetauscht, um in Zukunft das Entstehen patriarchaler Dynamiken zu verhindern.

Nach den Betriebsratswahlen bei Biosol

Schon vor den Betriebsratswahlen bei Biosol war ein Treffen mit den Arbeiter*innen im SAT Local in San Isidro geplant, die sich für die SAT zur Wahl gestellt haben. Umso schöner war es, dass es zu diesem Treffen auch einen Wahlerfolg zu feiern gab. Zum Treffen, einige Tage nach den Wahlen, konnten die frisch gewählten Delegadas kommen, sowie viele Kolleg*innen aus der BioSol Belegschaft. Wir hatten einen langen Nachmittag voller Austausch über vergangene und anstehende Kämpfe im Betrieb. Die Brigade war völlig überwältigt von der großen Kaffetafel voller marokkanischer Gebäcke und Spezialitäten, die von den Kolleg*innen mitgebracht wurden.

Die Kolleg*innen Hafida und Fatiga haben bereits jahrelange Erfahrung als Betriebsrätin bei BioSol und standen sogar im Jahr 2015 im Hungerstreik gegen die Arbeitsbedingungen bei BioSol. Seit dem gibt es einige wenige dauerhaft Festangestellte bei BioSol. Im Zuge ihres vergangenen Arbeitskampfes war Fatiga auch in der Schweiz, zu einem Austausch im Rahmen der „via campesina“. Die Idee einer Delegation ist bei ihr sehr positiv angekommen, aus dem Selbstbewusstsein und der einschüchternden Wirkung gegenüber dem Betrieb, an welche sie sich noch gut erinnern kann.

In der Woche drauf, konnte uns noch die Kollegin Encarna, ebenfalls eine frisch gewählte Betriebsrätin bei Biosol, im Local in Almeria besuchen. Wir lernten sie am Wahltag im Betrieb kennen, als sie persönlich zum Wählen aus der Elternzeit heraus erschien. Im Local konnten sich einige Brigadist*innen mit ihr und ihrer Familie austauschen. Die Zukunft der Betriebsratsarbeit bei BioSol wird ihrer Meinung nach, durch eine Mehrheit aus Betriebsrätinnen von SAT und UGT gestemmt werden können. Encarna schien offen für eine Delegationsreise, auch wenn sie nicht endgültig zusagen konnte.

Gerichtsprozess gegen Streik der SAT 09. September 2023

Im Jahr 2018 hat die SAT einen Streik ausgerufen, der ein juristisches Nachspiel haben sollte. Am 09.10.2023 haben die Brigadist*innen an der mündlichen Verhandlung zu diesem juristischen Nachspiel teilgenommen. Eine Firma hat die SAT auf 162.000 € Schadensersatz verklagt, der aus einer verdorbenen Ernte entspringen sollte.

Damit diese Klage auf Schadensersatz Erfolg hätte, müsste der ausgerufene Streik illegal gewesen sein, in dessen Zeitraum die Ernte verdorben ist. Das spanische Recht regelt keine konkreten Bedingungen für einen rechtmäßigen Streik, vielmehr regelt es Bedingungen unter denen ein Streik unrechtmäßig sein muss. Illegal wäre ein Streik beispielsweise, wenn er nicht letztes Mittel der Verhandlung gewesen wäre und die Gewerkschaft vorher keine Möglichkeiten ausgeschöpft hätte, friedlich den Arbeitskampf zu begehen.

Die Versuche friedlicher Lösung wurden nachweislich von der SAT erfolglos geführt, in diesem Fall musste der Streik als letztes Mittel des Arbeitskampfes eingesetzt werden. Die Beteiligung am Streik war von überragender Mehrheit im Betrieb, weshalb der komplette Arbeitsbetrieb eingestellt werden musste und die SAT auf einen Streikposten („piquete“) verzichtete. Die von der Arbeitgeberseite behaupteten Bedrohungen gegenüber arbeitswilligen Beschäftigten durch streikende Arbeiter*innen, konnte nicht nachgewiesen werden. Die Verteidigung der SAT war zuversichtlich, dass die Klage abgewiesen wird. José wurde als einer von drei Zeugen geladen.

Die Entscheidung der Richterin ergeht leider auf dem Postweg, sodass die mündliche Verhandlung ohne Entscheidung zu Ende ging.

La lucha sigue!

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